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Chöre und Solisten gestalteten Sternstunden der Musik

»Concerto belcanto« mit Vocalensemble Mömlingen und Kammerchor Weimar begeisterte im Bürderzentrum

Elsenfeld. »Es liegt an uns Musikern, mehr als nur gewohnheitsmäßige Unterhaltung zu liefern«, sagte der Dirigent Kent Nagano vor wenigen Wochen. Sein Zitat leitete das Programmheft zum achten »Concerto belcanto« am Sonntagabend im Elsenfelder Bürgerzentrum ein. Das Motto war gut gewählt: Was es im vollbesetzten Konzertsaal zwei Stunden lang zu hören gab, war alles andere als »gewohnheitsmäßige Unterhaltung«.

Junger Sopran begeisterte

Zwei Sternstunden der Chormusik wurden den begeisterten Zuhörern geboten. Ihren Teil dazu trug auch die Solistin Michaela Wehrum bei. Die junge Sängerin erfreute durch ihre reine, unangestrengte Stimme, saubere Interpretation und natürliche Ausstrahlung. Erfolge feierte sie bereits im Staatstheater Wiesbaden und im Baden-Badener Festspielhaus.
In Elsenfeld gefiel sie mit ihrem lyrischen Mezzosopran in Handels Arie aus Xerxes, in Gustav Mahlers Dialog der Verliebten. dem Lied »Wo die schönen Trompeten blasen« (»Des Knaben Wunderhorn«) und mit der Arie der Carmen aus Bizets gleichnamiger Oper. Auch in die Rolle des Grafen Orlofsky aus Johann Strauß' »Fledermaus« schlüpfte sie mit viel Überzeugungskraft, obwohl sie es mit ihrer zierlichen Figur nicht leicht hatte, das Publikum davon zu überzeugen, dass sie einen Gast tatsächlich »ganz ungeniert packen« und zur »Tür hinaus werfen« könne.
Ein schöner Auftritt, der von Andre Schönfeld am Klavier kongenial abgerundet wurde. Dennoch kein leichtes Unterfangen, in »Konkurrenz« zu den beiden Chören des Abends zu bestehen. Denn was die boten, war wirklich vom Allerfeinsten.

Muetler und seine Männer zauberten

Die Erfolgsgeschichte des Vocalensembles Mömlingen aufzuzählen, ist am Untermain schon seit Jahren nicht mehr nötig. Dennoch überraschen die gut 30 Sänger unter der äußerst konzentrierten und intensiven Führung von Klaus G. Mueller, der auch für das gelungene künstlerische Gesamtkonzept des Abends verantwortlich zeichnete, immer wieder mit ihrer Präzision, ihrem reichen Repertoire und ihrer Gestaltungskraft. Ob in Rossinis innigem und differenziertem »Gebet«, im stimmungsvollen, »Geistertanz« Franz Schuberts oder im »Ruhe, schönstes Glück auf Erden«, bei dem sie den richtigen Mittelweg der gefühlvollen Sehnsucht ohne verlogene Süßlichkeit perfekt trafen - alle Titel waren so überzeugend wie die schwedischen Volkslieder, unter denen vor allem das »Roslagsvar«, die Frühlingspolka in schwedischer Sprache, mit Lebenslust, Tempowechseln ohne Bruchstellen und dynamischen Elementen gefiel.
Bei solchen Leistungen hat es der Gastchor normalerweise schwer. Für den Kammerchor der Hochschule für Musik »Franz Liszt« aus Weimar allerdings war das gar kein Problem. Die 36 jungen Frauen und Männer, allesamt Musikstudenten, rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin, und das, obwohl sie Chormusik mit feinsten Nuancen boten und auf alle vordergründig populären und publikumswirksamen Elemente verzichteten. Bachs Motette »Singet dem Herrn ein neues Lied« war ein passendes Geschenk zum 250. Todestag des Komponisten. Präzise, mit transparenter Gestaltung und wunderbarer Artikulation erklang das frohe Lob Gottes, jubelte der Sopran das »Drum sei du unser Schirm und Licht«. In vielstimmiger Harmonie führten sie vor, was Musik mit tiefer Frömmigkeit zu tun hat.
Was hochbegabte und hervorragend ausgebildete junge Sängern leisten können, wurde auch in den vier Liedern deutlich, die der Kammerchor nach der Pause bot. Dass die Sätze sehr anspruchsvoll sind, wurde in der Souveränität des Ensemble unter der einfühlsamen und doch festen Leitung des Dirigenten kaum einmal deutlich. Professor Jürgen Puschbeck hat den Kammerchor vor drei Jahren übernommen. Dass die Akteure vor einem halben Jahr den internationalen Chorwettbewerb im italienischen Riva des Garda gewannen, wurde auch nach den modernen Liedsätzen verständlich.

Vergnügen an der Kunst

Begeisternd: der programmmusikalische Satz des Volkslieds »Auf einem Baum ein Kuckuck saß«. Die Weimarer gestalteten voller Elan die Stimmungswechsel so anschaulich, dass sie die Bühne in eine Theaterszene verwandelten. Überzeugend auch Lothar Voigtländers Fassung des »Du liegst mir im Herzen«, Wer die romantisierende Fassung voller Pathos und die gefährliche Nähe zum Schwulst erwartet hatte, wurde angenehm überrascht. In diese modernen Satz passierte tatsächlich genau das, was ebenfalls Kent Nagano in seinem Vorwort von moderner Musik fordert: diese Musik »reflektiert wirklich das Leben« und »öffnet Türen für neue Gedanken«. Liebespathos wirkt heute nicht mehr glaubwürdig, die Zeit ist schnelllebig geworden, und das spiegelte sich in der Komposition Voigtländers mit der Montagetechnik, der Parallele zur fehlenden Ruhe und Hast in unseren Tagen; alles in perfekter Interpretation vorgetragen und mit sichtlichem Vergnügen an der Kunst.

Überzeugende Solisten

Da passte sich das Mömlinger Ensemble mit drei Spirituals zum Schluss nahtlos an und überzeugte erneut mit Harmonie und die Dynamik. Gelungen auch die Soloauftritte des Tenors Alexander Mann mit seiner klaren Stimme, überzeugend der voluminöse Bass Walter Mayers und bekannt sensibel die Klavierbegleitung durch Joachim Schäfer, Auch der Bass Peter Adami und der Tenor Wolfgang Freudenberger hatten noch Gelegenheit, ihre solistischen Fähigkeiten zu zeigen. Es kommt selten vor, aber hier war es tatsächlich so: Nach gut zwei Stunden Konzert hätte man sich eine Verlängerung gewünscht. Es bleibt die Freude aufs nächste Jahr: Dann wird es wieder ein »Concerto belcanto« geben.

Von Dr. Heinz Linduschka

07.11.2000



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